“The Meaning of Space”, Kommentar von Christoph Rohrer, 2019

Heute ist es wichtiger denn je, dass Marken ihre Haltung zeigen und Botschaften vermitteln – auch in der Architektur. „The Meaning of Space“, also die Bedeutung von Raum, treibt mich und Blackspace seit 20 Jahren um. In Projekten wie #untaggable oder #newspacesforart haben wir Orte hinterfragt, neu definiert, mit Inhalt und Bedeutung aufgeladen.
Lesen sie hier mehr über den Paradigmenwechsel im Bereich Space Identity  – und die Lösungen, die wir kürzlich für Lufthansa, Genesis und Goldkammer Frankfurt entwickelt haben.

Die Bedeutung von Raum

Der Mensch ist ein visuell geprägtes Geschöpf. Wir neigen dazu, zuerst eine sichtbare Form zu schaffen, bevor wir über den Inhalt nachdenken, der sie ausfüllt. In der Architektur werden oft eindrucksvolle Gebäude geschaffen, um Präsenz und Einfluss zu zeigen. Die meisten Paläste, Denkmäler und Herrenhäuser wurden in erster Linie aus diesen Gründen geschaffen. Versailles zum Beispiel war nichts anderes als ein gebautes Symbol der Macht. Dasselbe galt lange Zeit für die Unternehmensarchitektur. Denken Sie nur an die monumentalen Firmenzentralen des letztes Jahrhunderts: die Frankfurter Bankentürme, Glas- und Marmorpaläste deutscher Unternehmen aus den 90er Jahren. Hier ging es darum, das Image einer Marke durch eindrucksvolle Räume und große Logos auszudrücken – und einen möglichst großen Fußabdruck zu hinterlassen. Haltung und Botschaften standen oft an zweiter Stelle oder blieben völlig unsichtbar.

Höchste Zeit, Orte zu hinterfragen und neu zu definieren

Meiner Meinung nach ist diese Denkweise überholt. Tatsächlich funktioniert sprachlose, starre Architektur heute überhaupt nicht mehr. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, in der sich Gesellschaft und Geschäftsmodelle extrem schnell entwickeln und ändern. Und es wächst eine  junge Generation heran, die sich nur noch für Unternehmen einsetzt, an die sie wirklich glaubt.

In solchen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass Marken ihre Haltung zeigen. Und das können sie, indem sie – sowohl den Menschen draußen auf der Straße als auch den eigenen Mitarbeitern – die Sinnfrage beantworten: indem sie ihre Daseinsberechtigung formulieren und eine nahbare Identität entwickeln. Wir haben hierfür einen eigenen Ansatz entwickelt: Space Identity® – die Entwicklung identitätsstiftender Markenräume.

Vom Hauptsitz zu einem Treffpunkt

In einer zunehmend virtuellen Welt nutzen Menschen und Marken physische Orte anders als in der Vergangenheit; besonders wichtig ist der persönliche Austausch. Dieser Paradigmenwechsel, von der repräsentativen Architektur zum Ort der Begegnung, lässt sich am Lufthansa Aviation Center (LAC) in Frankfurt wunderbar nachvollziehen. Ursprünglich wurde das Gebäude von ingenhoven architects speziell für die Lufthansa entworfen. Seit diesem Jahr dient das LAC als Hauptsitz für den gesamten Lufthansa-Konzern.

Um eine räumliche Identität zu schaffen, die einem solchen Wandel gerecht wird, müssen viele Fragen parallel beantwortet werden: Was passiert, wenn sich alle Wege an einem Ort kreuzen – wenn verschiedene Partner gleichzeitig kommunizieren wollen? Und wie gehen wir damit um? Wie schaffen wir sowohl Raum für die Aura einer Marke als auch die neuesten Nachrichten? Und wie können wir die Kommunikation und den gegenseitigen Austausch erleichtern, sowohl intern als auch mit externen Partnern und Besuchern?

Als Antwort haben wir eine Medien-Installation entwickelt, die sich nahtlos in die bestehende, preisgekrönte Architektur einfügt: halbtransparente, intelligente LED-Flächen, die den Charakter einer Kunstinstallation haben, aber für den individuellen Gebrauch konzipiert sind. Von Inhalten, die wir für den Lufthansa-Konzern entwickelt haben, über Echtzeit-Informationen bis hin zu Präsentationen können jederzeit unterschiedlichste Themen in den Raum transportiert werden. So kann die Space Identity die Architektur nach Bedarf gestalten und verändern.

Von der globalen Bühne zur lokalen Interpretation

Ein Beispiel, das diesen Gedanken weiter vorantreibt und den Paradigmenwechsel von der repräsentativen Architektur hin zu einer, die unterschiedliche Botschaften vermittelt, verdeutlicht, ist das Genesis Studio in Sydney. Der Hersteller von Luxusfahrzeugen hat vor kurzem sein erstes Studio außerhalb Koreas, im Herzen von Sydney, eröffnet. In dem von unserem Partner SUH architects entworfenen Gebäude haben wir erstmals eine Technologie implementiert, die die Bedeutung von Räumen innerhalb von Minuten verändern kann – weltweit, auf Knopfdruck. Obwohl wir seit Beginn unserer Zusammenarbeit die Kommunikation für Genesis entwickelt haben, können wir erst jetzt auch zentral von München aus steuern, welche Inhalte an welchem Genesis-Standort sichtbar sein sollen. Die Geschichten rund um die Marke lassen sich auf diese Art leicht an lokale Anforderungen anpassen – und gleichzeitig können wir sicherstellen, dass die Space Identity den Charakter von Genesis widerspiegelt.

Von begehbarer Geschichte zur flexiblen Plattform

Der Paradigmenwechsel von der „begehbaren Geschichte“ zur flexiblen Plattform ist in der Goldkammer Frankfurt zu sehen, die im Mai dieses Jahres als eines der modernsten Museen Europas in Frankfurt eröffnet wurde. Es verfügt über ein spektakuläres unterirdisches Kammersystem, das von den Architekten hg merz entworfen wurde. Das neu eröffnete Museum will nicht nur Gold in all seinen Facetten zeigen, sondern sich auch nach außen hin öffnen und der breiten Öffentlichkeit einen Ort für den Gedankenaustausch bieten.

Um den Charakter dieser Plattform fest in der Identität des Museums zu verankern, haben wir im Herzen der Goldkammer Frankfurt einen immersiven Ausstellungsraum geschaffen. Mit über 300 aufwendig inszenierten Exponaten aus der Sammlung Rothschild sowie einem eigens produzierten Film, erzählt er die Geschichte von den Anfängen des Goldes und folgt ihr bis in die Gegenwart.

 

Mein Schlusswort: Space Identity lässt sich nicht mehr durch imposante Empfangshallen, spektakuläre Museen und große, beleuchtete Logos lösen. Was Marken brauchen, sind flexible, intelligente Formate, die Räume mit Botschaften füllen und Unternehmen und Institutionen nicht nur eine geografische, sondern auch eine intellektuelle Heimat geben.